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Religion – Mystik – Spiritualität |
Religion – Mystik – Spiritualität
Drei große Worte, drei große Bedeutungen für die Suche. Alle drei Begriffe stehen für die Sehnsucht nach Gott und dafür, das göttliche im Leben zu verwirklichen.
Große Gottsuchende der Zeitgeschichte beschrieben ihre Begegnungen und Erfahrungen auf unterschiedlichste Weise. Was jedoch allen gemein war, ist die Erfahrung des Lichtes und der Finsternis. Diogenes Areopagita beschrieb es sogar als die „Strahlende Finsternis“, Nikolaus von Kues sprach über „das Zusammenwachsen der Gegensätze“ und ein unbekannter englischer Mystiker über „die Wolke des Nichtwissens“, in der Gott wohnt.
Beginnen wir mit der Religion.
Sie kann eine große Hilfe sein zur Rückbesinnung auf die eigenen, religiösen Wurzeln. Religion kommt von „religio“, was soviel heißt wie „Rückbindung an den Ursprung“. Es gibt eine Vielzahl von Religionen auf der Welt und jede ist in einem besonderen Spektrum beziehungsweise Umfeld entstanden. Meist angepasst an längst gebräuchliche Rituale und Mythen. Was alle Religionen gemeinsam haben, ist die Suche nach Gott. Wenn auch einzelne Vertreter einer Religion glauben, dass nur sie den wahren Gott kennen und lieben, so wächst doch inzwischen die Annahme, dass es nur einen Gott, aber verschiedene Wege zu ihm gibt.
Jedoch zeigt es sich schon in den unterschiedlichsten Konfessionen innerhalb des Christentums, wie schwer es ist, den jeweils „anders Gläubigen“ anzuerkennen, ja sich sogar noch in heutiger Zeit zu bekämpfen, wie es in Nordirland passiert. Dasselbe geschieht bedauerlicherweise innerhalb unterschiedlicher Religionen. Wenn man bedenkt, dass sich eine amerikanische Regierung darauf beruft, im Namen Gottes ein ganzes Volk moslemischen Glaubens „bekehren“ zu müssen, damit diese im Sinne des Westens eine demokratische Struktur entwickeln. Dabei verknüpfen sie Kultur und Glaubensrichtung mit der Art und Weise, wie ein Volk regiert werden soll. Das ganze erinnert doch sehr an die Kreuzzüge des 11.ten Jahrhunderts.
Wie wir aus der Geschichte eigentlich hätten lernen können, funktioniert dies schon vom Ansatz heraus nicht. Wenn Religion im Sinne von Religio, also mit Rückbesinnung zu deuten ist, dann gilt es, die jeweils geltenden Wurzeln eines Volkes und dem daraus Gewachsenen zu respektieren. Wenn ein Land, das sich selbst als religiös orientiert bezeichnet, Milliarden von Dollar, die sie in die Rüstung steckt, für soziales Wachstum und Unterstützung der Schwachen und Armen im eigenen Land und der sogenannten Dritten Welt verwenden würde, gäbe es möglicherweise keinerlei Anlässe für Kriege. Frieden und Harmonie im eigenen Land zieht ebensolches an. In diesem Zusammenhang gefällt mir ein Lehrsatz der Bahai Religion: „Es rühme sich nicht, wer sein Vaterland liebt, sondern wer die ganze Welt liebt. Die Erde ist nur ein Land und alle Menschen sind seine Bürger“.
Uns ist es ein Anliegen, Gemeinsamkeiten zu betonen. Diese können wir in allen Religionen finden, von denen man zunächst annehmen möchte, dass sie zu verschieden sind, um solchermaßen zu entdecken, wie Hinduismus und dem Christentum. Im Hinduismus unterscheidet man zwischen dem Nirguna-Brahman, womit die absolute transzendente, letzte Wirklichkeit gemeint ist, und dem Saguna-Brahman, der Wirklichkeit der Eigenschaften der Materie. Das Erstere entzieht sich jeglicher Beschreibung oder Anschauung von Kategorien, das Zweite ist nur aus der Schöpfung heraus selbst erkennbar. Nirguna-Brahman ist das, was sich durch den Göttlichen Laut, wie beispielsweise aus der Silbe OM, heraus manifestiert. Hier heißt es: „Gott, der Unmanifestierte, erschafft die manifestierte Welt durch das Wort“. Ebenso steht es im alten Testament (Gen 1).
In der griechischen Version des alten Testamentes benützte Johannes für das „Wort“ den Begriff des „Logos“. Er schreibt: „Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei Gott und der Logos war Gott“. Der Logos ist laut Joh. 1,9 „das wahre Licht“, der Göttliche Funken, der jeden Menschen innewohnt und, wenn er sein wahres Wesen entdeckt hat, erleuchtet.
Das Wort „Logos“ erscheint aber auch schon im alten Testament im Zusammenhang mit dem weiblichen Begriff Sophia, der „Weisheit“. „Sophia war zugegen, als Gott seine Werke schuf“ (Buch der Weisheit 9,9). Daraus ist zu ersehen, dass der „weibliche Aspekt Gottes“, die Göttliche Shakti, bei der Schöpfung mit zugegen war.
Um bei den Gemeinsamkeiten zu bleiben: In der Rig-Veda, einer der ältesten hinduistischen Schriften heißt es fast im Gleichlaut: „Am Anfang war Brahman, bei dem war das Wort, und das Wort war wahrhaftig das höchste Brahman“. Unter Brahman ist die höchste Gottheit, der Schöpfergott, zu verstehen. Und sowohl im Hinduismus wie im Christentum versteht man, dass nur über die Hingabe, über die Vereinigung mit Gott das Ego getötet und somit der Tod im neuen Licht erscheint. Und wenn Jesus sagt: „Ich und der Vater sind eins“ ist dies gleichzusetzen mit der hinduistischen Formel „tat tvam asi“, womit die Identität von Brahman und Atman, dem Schöpfergott und der Seele gemeint ist.
Und wenn Saulus nach seiner Bekehrung zum Paulus sagte: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20), so weist das auf das tiefste Mysterium hin, das wir im Christentum erfahren können.
Hiermit sind wir bei der Mystik angekommen.
Es hängt also vom Menschen ab, ob er lernt, sei es als Christ, Moslem, Hindu oder Buddhist oder Anhänger anderer Religionen, ob er sich in dieses Mysterium hineinbegeben kann oder nicht. Methoden der unterschiedlichsten Yogas oder auch christlicher Meditationen können den Menschen befähigen, sein Bewusstsein seines Selbstes zu schärfen und zu vertiefen, um in die Erfahrung Gottes zu gelangen. Doch spätesten hier ist ein Wort des Mystiker Augustinus zu beherzigen: „Wenn Du Gott begriffen hast, ist es nicht Gott.“ So sollte niemand den Mut und das Vertrauen verlieren, nach einer tiefen „Erfahrung“ weiter zu suchen. Es st eine fortwährende Reise, eine Pilgerreise, die jeder alleine geht. Derjenige, der sich nach einer einzigartigen Gottes Erfahrung oder einer Begegnung mit der Göttlichen Mutter brüstet und schmückt und seine „scheinbare Größe“ und „Erleuchtung“ proklamiert, wird wohl weiter zurückfallen als er vor seiner Reise war.
Ein Mystiker geht schon mal für eine längere Zeit in den Wald oder in die Wüste, wie es auch Jesus getan hat. Er meditierte 40 Tage in der Wüste, war in der totalen mystischen Versenkung und Einheit. Das Ergebnis war seine schon obengenannte Erkenntnis: „Ich und der Vater sind eins“. Dieses Wissen begleitete Ihn durch sein ganzes Leben und Sterben.
Über die Spiritualität zum Mystiker.
Wie können wir uns zu einem Mystiker hin entwickeln? Dieser Weg geht nicht ohne Spiritualität! Das Wort Spiritualität kommt von „spiritus“, dem Geist Gottes. Der Begriff Spiritualität ist genaugenommen ein Begriff aus der christlichen Kultur, was in unserer Gesellschaft erstaunlicherweise gar nicht so empfunden wird. Der „heilige“ Geist Gottes kommt im Zusammenhang mit der Dreifaltigkeit vor und ist der weibliche Aspekt des dreifaltigen Gottes. So bedeutet Spiritualität auch, ergriffen zu sein vom Geist Gottes. Und wenn unter Spiritualität das „Ergriffen Sein“ gemeint ist, dann ist es häufig die Religion, in der diese Erfahrung zum Ausdruck gebracht und den Menschen vermittelt wird. Bei den Bahai´s schreibt man: „Alle Religionsstifter sind Boten Gottes, die den Menschen ihrer Zeit die göttliche Führung in dem jeweils notwendigen Maß übermitteln. Die Religionen bilden eine Kette fortschreitender Offenbarung, die immer wieder neue Glieder bekommt. Sie enthalten den gleichen Wahrheitskern, denn sie entspringen alle der gleichen göttlichen Quelle. Sie unterscheiden sich nur in ihren orts- und zeitbedingten Geboten“.
Alle großen Mystiker der Zeitgeschichte entwickelten sich durch ihre praktizierte Spiritualität. Einige davon wurden zu Propheten und Begründern der unterschiedlichen Religionen. Wenn sich Propheten als Auserwählte fühlen und mit den Schwert bewaffnen, um grausame Eroberungs- und Bekehrungskriege zu führen, dann haben sie ihre Göttliche Mission missverstanden. Eine wahre Göttliche Mission ist immer durchdrungen von dem Aspekt der bedingungslosen Liebe, so, wie Christus es uns gezeigt und gelebt hat. Im Gegensatz zu den Lehren des alten Testamentes, wo es hieß: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, lehrte Er, dass Du, wenn Du auf eine Backe eine Ohrfeige bekommst, auch die Andere hinhalten sollst. Nur so kann Dein Gegenüber lernen, was unter Liebe und Hingabe gemeint ist. Die Freiheit unseres Geistes und unserer Personalität besteht letztlich darin, den entscheidenden Schritt zu tun und sich Gott, unserem Schöpfer, ganz hinzugeben. „Wer sich hingibt, wird das Leben gewinnen“ (Mt. 10,39).
Spiritualität führt Dich zur Mystik.
Dies ist ein ganz persönlicher, innerer Weg. Ein Weg, bei dem ein innerer Prozess und damit eine Entwicklung stattfinden. Im frühen Christentum wurde dieser Weg sehr häufig beschritten und ist von zahlreichen Mystikern überliefert. Sie schrieben vom Weg der inneren Wandlung und in der modernen Tiefenpsychologie schrieb auch C.G. Jung: „Die Wandlung ist die eigentliche Aufgabe des Menschen, es ist der Weg der Individuation.“ Was es damit meint ist, dass der Mensch durch die Individuation zu seiner Einmaligkeit gelangen kann. Er soll lernen, sich von den kollektiven Grundmeinungen und Vorstellungen – was „man“ tut, denkt, für Recht- oder Unrecht hält – zu unterscheiden und zu lösen. Nicht, und das gilt es zu beachten, aus purer Opposition, sondern damit sein ureigenstes Wesen und seine schöpferischen Kräfte wachsen können. Individuation ist nach Jung eine Veränderung der Persönlichkeit von innen her, also ganz vom Individuellen her. C.G. Jung betont dabei, dass dies keinesfalls als Egoismus zu verstehen sei. Er betont, dass gerade dadurch, dass der Mensch sein wahres Wesen erfährt, er mit der Wurzel allen Seins in Verbindung kommt und sich damit zum sozialen kreativen Wesen entwickelt.
Jung sieht als das wichtigste Kennzeichen der Individuation den Anschluss und die Verbindung an das „Grenzenlose“, wie er das „Religiöse“ nannte. Diesen mystischen Prozess beschreibt er als die „Begegnung mit dem Transzendenten“, was für den Gläubigen Gott ist. In diesem Transzendenten ist der Schöpfungswille Gottes verborgen. Er betonte dies in seiner Darlegung des Schöpfungsberichtes (Gen. 1,26-27), wo auch die Kirchenväter vom „Bild Gottes im Menschen“ sprechen.
Dieser spirituelle, mystische Weg, dieser innere Weg zur Gotteserfahrung ist ein Weg in die Freiheit. Er lässt Dich frei werden von Angst und Eifersucht, von der Tyrannei Deiner Wünsche und Begierden. Du entdeckst auf diesem Weg, dass Du nicht Deine Gedanken und Gefühle bist, sondern dass Du es bist, der diese Gefühle und Gedanken hat. Damit hast Du die Möglichkeit, Dich von den verschiedensten Fixierungen zu lösen, die Dich auf Deinem Weg zu Gott behindert haben. So näherst Du Dich mehr und mehr dem Urgrund Deiner Seele, dem inneren Ort, in dem Gott Zuhause ist, in Deinem spirituellen Herzen.
Der Autor Herbert Hoffmann, geboren 1940, ist einen jahrzehntelangen Weg der Selbsterforschung und des Heilens gegangen. Zahlreiche Lehrer unter anderem auch in Indien unterstützten ihn auf diesem Weg. So verweist der Titel dieses außergewöhnlichen Buches schon darauf, auf was es inhaltlich hinweisen möchte.
So wie die Lotosblüte sich erst öffnet, wenn sie den Weg durch den Schlamm und durch das Wasser nach oben, den Weg zum Licht der Schöpfung gegangen ist, kann der Mensch sich befreien von alten überholten Sichtweisen und dem Ego dienender Negativität. Abschnitt für Abschnitt geht der Leser vergleichbar der Lotusblüte von Erkenntnis zu Erkenntnis und kann durch das Annehmen verschiedenster Inhalte Erleuchtung erfahren.
Die kurz und prägnant verfassten Kapitel sind erstaunlich aufhellend und leicht verständlich. Wie ein Brückenbauer zeigt der Autor Möglichkeiten auf, die unabhängig von Konfession und Glaubensrichtung für jeden nachvollziehbare Wege der Erkenntnis sind.
Schirner Verlag
Taschenbuch, ca. 250 Seiten
ISBN: 978-3-89767-648-0
Preis (D): € 9,95